Hier Link zum Youtube Video, welcher die Mitteilung genauer bespricht. In doppelter Hinsicht eine erfreuliche Mitteilung. Mit Medienmitteilung vom 4. Oktober 2023 (https://www.bsv.admin.ch/bsv/de/home/publikationen-und-service/medieninformationen/nsb-anzeigeseite.msg-id-98053.html) hat das BSV mitgeteilt, dass die seit langem in der Kritik stehende Gutachterstelle PMEDA Zürich keine Aufträge der Invalidenversicherung mehr erhält. Ursächlich dafür sind offenbar von der neu eingesetzten Kommission für die […]
Hier Link zum Youtube Video, welcher die Mitteilung genauer bespricht.
In doppelter Hinsicht eine erfreuliche Mitteilung.
Mit Medienmitteilung vom 4. Oktober 2023 (https://www.bsv.admin.ch/bsv/de/home/publikationen-und-service/medieninformationen/nsb-anzeigeseite.msg-id-98053.html) hat das BSV mitgeteilt, dass die seit langem in der Kritik stehende Gutachterstelle PMEDA Zürich keine Aufträge der Invalidenversicherung mehr erhält. Ursächlich dafür sind offenbar von der neu eingesetzten Kommission für die Qualität der medizinischen Begutachtungen (EKQMB) festgestellte Mängel an die Anforderungen und die Qualitätskriterien von solchen Gutachten.
Die Mitteilung ist in doppelter Hinsicht erfreulich.
So liegt es im Interesse einer objektiven, neutralen und fairen Beurteilung von Leistungsansprüchen, dass die Gutachterstelle PMEDA keine weiteren Gutachten mehr erhält. Alsdann zeigt es auch, dass die EKQMB ihre Aufgabe sehr ernst nimmt und deren Empfehlungen im BSV auch berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund ist zu hoffen, dass die Kommission weiterhin kritisch die Gutachterstellen überprüft.
Welche Mängel festgestellt wurden, geht aus der Medienmitteilung nicht hervor. Diese Umstände werden jedoch massgeblich sein für die Frage, wie mit den Fällen umzugehen ist, in welchen Sozialversicherungen gestützt auf PMEDA-Gutachten Leistungsansprüche abgewiesen haben. Das BSV schreibt, dass in abgeschlossenen Fällen keine Neubeurteilung vorgenommen wird. So absolut gilt das sicher nicht. Relevant muss sein, welche Mängel bestanden haben.
Zutreffend ist sicher, dass – wie das BSV schreibt – die laufenden Fälle genau überprüft werden. Ebenso ist zu fordern, dass bei Neuanmeldungen nach PMEDA-Gutachten der Umstand der mangelnden Qualität mitberücksichtigt wird.
In einem laufenden IV-Verfahren, in dem noch Abklärungen zur Arbeitsfähigkeit vorgenommen werden, besteht unter gewissen Voraussetzungen eine sogenannte Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung. Rechtsprechungsgemäss besteht diese Vorleistungspflicht dann, wenn eine versicherte Person gesundheitlich bedingt in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, aber in der Lage ist, eine angepasste Tätigkeit zu einem Pensum von mindestens 20 Prozent anzunehmen. In […]
Vorleistungspflicht: Unterschiedliche Beurteilungen der Arbeitsfähigkeit – IV und ALV lehnen ab. Wer ist leistungspflichtig?
In einem laufenden IV-Verfahren, in dem noch Abklärungen zur Arbeitsfähigkeit vorgenommen werden, besteht unter gewissen Voraussetzungen eine sogenannte Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung. Rechtsprechungsgemäss besteht diese Vorleistungspflicht dann, wenn eine versicherte Person gesundheitlich bedingt in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, aber in der Lage ist, eine angepasste Tätigkeit zu einem Pensum von mindestens 20 Prozent anzunehmen. In diesem Fall richtet die Arbeitslosenversicherung die volle Arbeitslosenentschädigung aus. Der Zweck der Vorleistungspflicht liegt darin, für die Zeit, in welcher der Anspruch auf Leistungen einer anderen Versicherung abgeklärt wird und somit noch nicht feststeht (Schwebezustand), Lücken im Erwerbsersatz zu vermeiden. Nach abgeschlossenem IV-Verfahren erfolgt sodann je nach Beurteilung der Arbeitsfähigkeit eine definitive Aufteilung der Leistungspflicht zwischen der Invalidenversicherung und der Arbeitslosenversicherung.
Diese Voraussetzung der angepassten Arbeitsfähigkeit von mindestens 20 % besteht, weil eine Voraussetzung des Leistungsanspruchs gegenüber der Arbeitslosenversicherung die Vermittlungsfähigkeit ist, was auch im Rahmen der Vorleistungspflicht erfüllt sein muss.
Während dem laufenden IV-Verfahren stellen sich aber immer auch Abgrenzungsfragen. Insbesondere die Frage, auf welche Beurteilung der Arbeits(un)fähigkeit abzustellen ist, wenn unterschiedliche Beurteilungen, beispielsweise zwischen den behandelnden Ärzten und einem durch die IV eingeholten gutachterlichen Beurteilung.
Im vorliegenden Fall hatte sich das Bundesgericht mit einem genau solchen Fall auseinanderzusetzen. Die Arbeitslosenversicherung und das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden stellten sich auf den Standpunkt, dass gestützt auf die Beurteilung des behandelnden Psychiaters eine vollständige Arbeitsunfähigkeit auch für einen Arbeitsversuch bestehe, der Versicherte deshalb objektiv vermittlungsunfähig sei und deshalb die Voraussetzungen zum Bezug von Arbeitslosentaggeldern auch im Rahmen der Vorleistungspflicht nicht gegeben seien.
Demgegenüber machte der Versicherte im Verlauf des noch laufenden IV-Verfahrens, dass er durch die IV mit Vorbescheid als zu mindestens 80 % arbeitsfähig in der angestammten sowie in einer leidensadaptierten Tätigkeit einschätze, und deshalb die gesetzliche Vermutung der Vermittlungsfähigkeit gelte.
Das Bundesgericht musste im vorliegenden Fall feststellen, dass zwar im Verlauf des Verfahrens auf das laufende IV-Verfahren hingewiesen und der Vorbescheid angeblich der Arbeitslosenversicherung eingereicht wurde. Diese Dokumente waren aber nicht in den Verfahrensakten enthalten. Aufgrund des geltenden Untersuchungsgrundsatzes wären die ALV und das kantonale Gericht verpflichtet gewesen, die Akten entsprechend zu ergänzen und sind erst dann in der Lage, unter Berücksichtigung der durch den Versicherten geltend gemachten teilweisen Arbeitsfähigkeit über die Vorleistungspflicht zu entscheiden zu können und beurteilen zu können, ob nunmehr nicht mehr von einer offensichtlichen Vermittlungsunfähigkeit auszugehen wäre. Für diese weiteren Abklärungen hat das Bundesgericht die Angelegenheit an das kantonale Gericht zurückgewiesen.
Das bundesgerichtliche Urteil zeigt beispielhaft auf, welche Auswirkungen unterschiedliche Beurteilungen der Arbeitsfähigkeit auch bei der Frage der Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung haben kann, und wie wichtig es ist, dass die Versicherungsträger und die Gerichte ihrer Abklärungspflicht bei entsprechenden Hinweisen hinreichend nachkommen.
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hat mit Entscheid vom 23. Februar 2021 die Sache an die IV-Stelle zurückgewiesen mit der Auflage, ein neues psychiatrisches Gutachten über den Versicherten einzuholen und ihm vorgängig im Rahmen eines korrekt durchgeführten Mahn- und Bedenkzeitverfahrens anzudrohen, das Verfahren während einer allfälligen Zeit, in welcher sich der Versicherte dem Gutachten […]
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hat mit Entscheid vom 23. Februar 2021 die Sache an die IV-Stelle zurückgewiesen mit der Auflage, ein neues psychiatrisches Gutachten über den Versicherten einzuholen und ihm vorgängig im Rahmen eines korrekt durchgeführten Mahn- und Bedenkzeitverfahrens anzudrohen, das Verfahren während einer allfälligen Zeit, in welcher sich der Versicherte dem Gutachten widersetzen würde, zu sistieren.
Die Invalidenversicherung erachtete die Sanktion der Verfahrenssistierung für den Fall, dass der Versicherte seiner Mitwirkungspflicht nicht genügend nachkommt, als unzulässig und gelangte ans Bundesgericht. Unter Berufung auf die bereits hängige Praxis wies das Bundesgericht darauf hin, dass im Falle der Nichtmitwirkung nicht eine Verfahrenssistierung vorzunehmen wäre, sondern das Verfahren als abgeschlossen gilt. Die spätere Bereitschaft zur Mitwirkung an den Abklärungen sei als Neuanmeldung zu betrachten. Die «ledigliche Sistierung» komme nicht in Frage.
Die Praxis bei Nichtmitwirken an Gutachten des Bundesgerichtes ist streng. Sie führt nämlich dazu, dass nach einer Verweigerung der Mitwirkung, auch wenn später festgestellt wird, dass grundsätzlich längst ein Rentenanspruch bestanden hätte, dieser erst für die Zeit nach Eingang der Neuanmeldung ausgerichtet wird. Daher ist sämtlichen Versicherten zu empfehlen, sich sehr gut zu überlegen, ob die Mitwirkung/Teilnahme am Gutachten im Einzelfall wirklich verweigert wird.
Immerhin hat das Bundesgericht einmal mehr klargestellt, dass ein ordentlich durchgeführtes Mahn- und Bedenkzeitverfahren notwendig ist. Ein solches ordentlich durchgeführtes Mahn- und Bedenkzeitverfahren bedingt, dass die Folgen einer Nichtteilnahme an einem Gutachten auch klar erläutert werden.
Das bundesgerichtliche Urteil wird im folgenden Videobeitrag eingehender diskutiert: Hier klicken. Der seit der Geburt an einer Hämophilie A mit sekundär krankheitsbedingten Arthrosen im Knie, Fuss und Ellenbogen leidende Versicherte schloss 1995 das Medizinstudium trotz des Geburtsgebrechens erfolgreich ab. die IV sprach ihm dann eine halbe Invalidenrente zu, welche später aufgrund einer Tätigkeit als beratender […]
Eingeschränkte Validenkarrieren von an Geburtsgebrechen leidenden Versicherten / Diskriminierung aufgrund erhöhter Beweisanforderungen?
Das bundesgerichtliche Urteil wird im folgenden Videobeitrag eingehender diskutiert: Hier klicken.
Der seit der Geburt an einer Hämophilie A mit sekundär krankheitsbedingten Arthrosen im Knie, Fuss und Ellenbogen leidende Versicherte schloss 1995 das Medizinstudium trotz des Geburtsgebrechens erfolgreich ab. die IV sprach ihm dann eine halbe Invalidenrente zu, welche später aufgrund einer Tätigkeit als beratender Arzt im Pensum von 70 % bis 80 % wieder aufgehoben wurde. Aufgrund von Verschlechterungen des Gesundheitszustandes wurden eine Hilflosenentschädigung sowie Assistenzbeiträge beigezogen, ebenso ab Oktober 2019 wiederum eine halbe Rente aufgrund des Invaliditätsgrades von 51 %. Der Versicherte forderte eine höhere Rente mit der Begründung, dass er zwischenzeitlich den Facharzttitel für Physikalische Medizin und Rheumatologie erfolgreich abgeschlossen habe und laut Statistik 75 % der Fachärzte spätestens zwei Jahre nach Erhalt des Facharzttitels eine eigene Praxis eröffnen würden. Er machte ein Valideneinkommen von zwischen Fr. 261’000.00 und Fr. 267’000.00 geltend. Demgegenüber ging die Invalidenversicherung lediglich von einem Valideneinkommen von Fr. 178’000.00 aus. Sie stützte sich auf die Tabelle 11 der LSE für klinische tätige Ärzte.
Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab unter Hinweis auf die Rechtsprechung, dass theoretisch vorhandene berufliche Entwicklungsmöglichkeiten praxisgemäss nur beachtlich sind, wenn sie mit hoher Wahrscheinlichkeit eingetreten wären (Urteil 9C_316/2020 vom 6. Oktober 2020). Obwohl der Beschwerdeführer statistisch nachweisen konnte, dass 75 % der Fachärzte spätestens zwei Jahre nach Erhalt des Facharzttitels eine eigene Praxis eröffnen, erachtete das Bundesgericht die Praxiseröffnung nur als möglich resp. eine blosse Absichtserklärung. Es könne nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Praxis eröffnet hätte.
Das Urteil reiht sich in die strenge Praxis des Bundesgerichtes bezüglich Validenkarriere ein. Die Praxis ist im Zeitalter des durchlässigen Arbeitsmarktes sowie auch eines sehr durchlässigen Weiterbildungssystems nicht mehr zeitgemäss. Das bezieht sich besonders auf Fälle wie den vorliegenden mit frühen Validitäten, aber in welchen die Möglichkeit, eine Absicht für eine berufliche Entwicklung zum Ausdruck zu bringen überhaupt nicht besteht, ebenso bei sehr jungen Berufsleuten, die z.B. noch während oder kurz nach der Lehre erkranken. In diesen Konstellationen werden in der Regel erst Überlegungen, aber noch keine konkreten Schritte für weitere berufliche Entwicklungen getätigt. Solche bleiben dann für das Valideneinkommen irrelevant, was im Endeffekt diskriminierend ist.
Das Bundesgericht hatte sich in einem invalidenversicherungsrechtlichen Fall wieder einmal mit der Frage zu beschäftigen, ob im Rahmen der Ressourcenprüfung (BGE 141 V 281) von medizinischen Gutachten abgewichen werden kann. Hier gilt der Grundsatz, dass wenn das medizinische Gutachten umfassend und nachvollziehbar begründet ist sowie die Grundsätze der Ressourcenprüfung berücksichtigt, die rechtsanwendende Stelle (Versicherung oder […]
Ressourcenprüfung; Wann dürfen Gerichte vom Gutachten abweichen?
Das Bundesgericht hatte sich in einem invalidenversicherungsrechtlichen Fall wieder einmal mit der Frage zu beschäftigen, ob im Rahmen der Ressourcenprüfung (BGE 141 V 281) von medizinischen Gutachten abgewichen werden kann. Hier gilt der Grundsatz, dass wenn das medizinische Gutachten umfassend und nachvollziehbar begründet ist sowie die Grundsätze der Ressourcenprüfung berücksichtigt, die rechtsanwendende Stelle (Versicherung oder Gericht) davon nicht abweichen darf (Verbot der juristischen Parallelüberprüfung, BGE 145 V 361).
Da die zentrale Frage die Einschränkung der Funktionalität darstellt, hat sich das Gutachten vor allem diesbezüglich zu äussern. Im vorliegenden Fall haben die Gutachter eine «deutliche Beschwerdebetonung» festgestellt, deren Auswirkungen auf die Funktionalitäten jedoch nicht näher erläutert, sondern offenbar nur auf die Ergebnisse des Mini-ICF-APP Ratings abgestellt. Das hat das Bundesgericht als unzureichend erachtet und den kantonalen Entscheid, in welchem im Rahmen der Ressourcenprüfung von der gutachterlichen Einschätzung abgewichen wurde, gestützt.
Das Urteil soll in der amtlichen Sammlung publiziert werden. Die Gründe, weshalb das Urteil in die amtliche Sammlung aufgenommen wird, sind daraus nicht klar ersichtlich. Man darf deshalb auf die Regeste in der amtlichen Sammlung gespannt sein.