Keine Anzeigepflichtverletzung durch Kindesalter

by Kaspar Gehring

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Eine Mutter schloss für ihre damals 14,5-jährige Tochter einen Versicherungsvertrag für eine Risikoversicherung ab (Todesfall und Invaliditätskapital bei Krankheit und Unfall). Zu beurteilen war eine Anzeigepflichtverletzung nach Art. 4 Abs. 1 VVG aus dem Jahr 2001. Mehr als 18 Jahre nach dem Versicherungsantrag wurde ein Leistungsantrag gestellt. In diesem wurde beschrieben, dass die Versicherte seit dem Jahr 2020 an verschiedenen Beschwerden leide. Daraus leitete die beschwerdeführende Versicherung ab, dass Antragsfragen unzutreffend beantwortet worden seien. Zu den einzelnen Fragen wurde Folgendes festgehalten (E. 5.3.5): Eine der Fragen erkundigte sich ausschliesslich danach, ob das Kind «zurzeit» vollständig gesund war. Eine psychische Beeinträchtigung im Abschlusszeitpunkt wurde nicht festgehalten. Die Frage wurde als nicht falsch beantwortet beurteilt. Daraus, dass das Kind drei Jahre vor dem Versicherungsantrag in Behandlung war, kann die Versicherung nichts ableiten. Es ist nicht relevant, zumal die Frage sehr offen formuliert war.

 

Zu beantworten war, ob das Kind in den letzten fünf Jahren wegen Krankheiten der Atmungsorgane oder depressiven oder nervösen Störungen hat behandelt werden müssen. Die Versicherung brachte vor, es hätten die Besuche bei der Kinderpsychologin angegeben werden müssen. Die Mutter durfte die Frage so verstehen, dass nach Störungen oder psychischen Beeinträchtigungen mit Krankheitswert gefragt wurde. Solche seien nicht festgestellt worden. Auch der Umstand, dass die Beschwerdegegnerin als junges Mädchen sechs Jahre lang durch einen Kinderpsychologen begleitet wurde, lasse nicht schliessen, dass bereits in jungen Jahren Unterstützungsbedarf in psychologischer Hinsicht bestand. Daraus könne nicht ohne weiteres abgeleitet werden, dass sie dannzumal unter der psychischen Störung oder einer psychischen Erkrankung litt.
BGer 4A_338/2022 vom 19. Dezember 2022

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