Skiunfall: Trotzdem bezahlt die Unfallversicherung nicht
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Immer wieder lehnt die Unfallversicherung nach einem Skiunfall die Leistungspflicht ab. Weshalb die Unfallversicherung nicht bezahlt, und was es eben sein könnte, wenn es kein Skiunfall ist, wird in diesem Video und nachfolgend erläutert.
Als Unfall gilt gemäss Art. 4 ATSG die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit oder den Tod zur Folge hat. Dies in Abgrenzung davon, ob eine krankheitsbedingte Schädigung vorliegt.
Es muss demnach insbesondere ein ungewöhnlicher äusserer Faktor vorliegen. Dies ist rechtsprechungsgemäss dann zu bejahen, wenn der äussere Faktor – nach einem objektiven Massstab – nicht mehr im Rahmen dessen liegt, was für den jeweiligen Lebensbereich alltäglich und üblich ist. Im Zusammenhang mit Ereignissen beim Skifahren hat das Bundesgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung beispielsweise festgehalten, dass ein solches Zusatzgeschehen – und mit diesem das Merkmal des ungewöhnlichen äusseren Faktors im Sinne einer den normalen Bewegungsablauf störenden Programmwidrigkeit – gegeben ist bei einem Skifahrer, der auf einer Buckelpiste auf einer vereisten Stelle ohne zu stürzen ausgleitt, danach unkontrolliert einen Buckel anfährt, abgehoben wird und bei verdrehter Oberkörperhaltung hart auf dem Boden aufschlägt, nicht aber, wenn beim Skifahren auf einer steilen, buckligen Piste und Kompression in einer Wellenmulde eine Diskushernie auftritt.
Im vorliegenden Fall, welcher das Bundesgericht in seinem neusten Urteil zu beurteilen hatte, erlitt A. am 1. Februar 2019 bei einer kurvenreichen Fahrt auf einer normalen Piste bei einem Stockeinsatz einen Schlag in der linken Schulter, wobei er einen Sturz verhindern konnte. Die Unfallmeldung wurde erst im August 2019 eingereicht, da A. aufgrund «nicht allzu grosser Schmerzen» für knapp 4 Monate mit dem Aufsuchen eines Arztes zuwartete. Die Schulterbeschwerden wurden nach einer Abklärung durch den behandelnden Radiologen auf eine Knochenauflösung am äusseren Ende des Schlüsselbeins zurückgeführt. Nachdem die konservative Therapie keinen Erfolg brachte, wurde ein operativer Eingriff an der linken Schulter durchgeführt. Das Bundesgericht hatte in der Folge zu entscheiden, ob dieses Ereignis vom 1. Februar 2019 auch als Unfall im Rechtssinne zu qualifizieren ist, nachdem die Unfallversicherung ihre Leistungspflicht ablehnte. Hierfür stützte sich die Unfallversicherung auf eine Stellungnahme des beratenden Orthopäden, welcher sich auf den Standpunkt stellte, dass eine vorbestehende Arthrose des Schultergelenks für das Leiden ursächlich sein soll.
Das Bundesgericht hielt fest, dass es bei Schädigungen, die sich – wie hier – auf das Körperinnere beschränken, der Nachweis eines Unfalls insofern strengen Anforderungen unterliegt, als die unmittelbare Ursache der Schädigung unter besonders sinnfälligen Umständen gesetzt werden muss; denn ein Unfallereignis manifestiert sich in der Regel in einer äusserlich wahrnehmbaren Schädigung, während bei deren Fehlen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit rein krankheitsbedingter Ursachen besteht. Es sei der sportlichen Tätigkeit des Skifahrens inhärent, dass der Körper regelmässig Erschütterungen ausgesetzt ist. Dies gilt selbst dann, wenn der Schlag, wie im vorliegenden Fall vorgebracht wurde, heftig gewesen sein sollte.
Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass es nach der bisherigen Rechtsprechung nicht rechtsgenüglich erstellt und nicht ersichtlich sei, dass eine für die Qualifikation als Unfallereignis erforderliche Programmwidrigkeit im Sinne eines ungewöhnlichen äusseren Faktors vorliegen soll. Der in der linken Schulter verspürte Schlag sprengt nach Ansicht des Bundesgerichts den Rahmen eines beim Skifahren üblichen Vorgangs nicht. Es kam zum Ergebnis, dass der versicherungsrechtliche Unfallbegriff nach Art. 4 ATSG in diesem Fall nicht erfüllt ist.
Dieses Urteil zeigt ein weiteres Mal auf, dass die Wahrnehmung eines Ereignisses als Unfall nicht immer auch als Unfall im Rechtssinne zu qualifizieren sind. Die Abgrenzung ist schwierig und die Rechtsprechung sehr umfangreich. Die Spezialistinnen und Spezialisten von KSPartner haben die notwendige Erfahrung, diese Abgrenzung vornehmen zu können und bei Streitigkeiten mit der Unfallversicherung Unterstützung zu leisten.
Urteil BGer 8C_589/2021 vom 17. Dezember 2021
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