Erben müssen Ergänzungsleistungen zurückzahlen

by Kaspar Gehring

Verschweigt ein Bezüger von Ergänzungsleistungen Vermögen, kann die EL-Stelle nach dessen Tod die zu Unrecht bezahlten Leistungen von den Erben während langer Zeit zurückfordern.

Das Urteil wird in folgendem Videobeitrag weiter kommentiert: Hier klicken.

 

Ein Mann bezog ab 2003 bis zu seinem Tod im Jahr 2016 Ergänzungsleistungen (EL). Nach seinem Tod erlangte die EL-Durchführungsstelle davon Kenntnis, dass der Mann während Jahren über ein (nicht angegebenes) Bankkonto mit einem Saldo von mehr als 1.2 Millionen Franken verfügte. Deshalb forderte sie im Dezember 2016 von den Erben rund Fr. 140’000.00 zurück, und im September 2017 nochmals rund Fr. 4’000.00.

Vor Bundesgericht war der Umfang der Rückerstattungspflicht strittig. Eine Rückforderung kann nach Art. 25 Abs. 2 ATSG grundsätzlich für einen Zeitraum von höchstens 5 Jahre seit der Entrichtung der einzelnen Leistung gestellt werden. Wird der Rückerstattungsanspruch aber aus einer strafbaren Handlung hergeleitet, für welche das Strafrecht eine längere Verjährungsfrist vorsieht, ist diese strafrechtliche Frist massgebend.

Unbestritten war, dass sich der EL-Bezüger durch sein Verhalten des Betrugs schuldig gemacht hatte. Für Betrug sieht das Strafrecht eine 15-jährige Verjährungsfrist vor. Zu entscheiden hatte das Bundesgericht aber, ob diese längere strafrechtliche Verjährungsfrist auch auf die Erben des straffälligen Empfängers der EL-Leistungen anwendbar ist.

Das Bundesgericht kam nach einer Analyse des Sinns und Zwecks der gesetzlichen Regelung, der einschlägigen juristischen Literatur und der bisherigen Rechtsprechung zum Schluss, dass die längere strafrechtliche Verjährungsfrist nach Art. 25 Abs. 2 Satz 2 ATSG auch auf die Erben anwendbar ist. Die Rückforderung der EL für den gesamten Zeitraum seit dem Jahr 2003 ist damit rechtmässig.

Hat ein EL-Bezüger Einnahmen oder Vermögen verschwiegen, gilt in Betrugsfällen damit auch für die Erben die längere strafrechtliche Verjährungsfrist von 15 Jahren. Auf Erben eines EL-Bezügers kann damit unerwartet eine sehr hohe Rückforderung zukommen, wenn sie das Erbe nicht ausschlagen. Dies obwohl sie in der Regel ausserhalb des strafbaren Handelns des Verstorbenen stehen und davon keine Kenntnis hatten und haben.

Die gesamte Situation und die genaue Berechnung der Rückforderung kann kompliziert und schwierig nachvollziehbar sein. Es lohnt es sich insbesondere bei hohen Rückforderungsbeträgen, sich frühzeitig rechtlich beraten zu lassen. Oft hängt es von vielen Umständen ab, ob überhaupt eine Rückerstattungspflicht besteht, und wie hoch diese ausfällt.

Urteil BGer 9C_321/2020 vom 2. Juli 2021 (zur Publikation vorgesehen)

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