Invalidität im Homeoffice – eine differenzierte Betrachtungsweise

by Kaspar Gehring

Hier geht’s zum Video, in dem das bundesgerichtliche Urteil noch weiter erläutert wird: Hier klicken

Seit Beginn der Pandemie ist Homeoffice nicht nur in aller Munde und in «aller Gebrauch», auch die Invalidenversicherung und die Gerichte haben sich mit der Frage von Homeoffice auseinandersetzen müssen. Dies u.a. bei der Bestimmung des Invalideneinkommens. Hierzu sind im letzten halben Jahr zwei Gerichtsentscheide ergangen. Es ging um die Frage, inwieweit eine gutachterlich attestierte Teilarbeitsfähigkeit im Homeoffice als wirtschaftlich verwertbar gilt.

Im Urteil vom 10. Dezember 2020 (9C_15/2020) hat das Bundesgericht bestätigt, dass eine Arbeitsfähigkeit beschränkt auf Homeoffice durchaus als wirtschaftlich verwertbar im Sinne eines Invalideneinkommens angenommen werden kann. Dies, wenn zumindest gelegentlich für die Erledigung von Arbeiten oder die Wahrnehmung von Terminen an den Ort des Betriebes gereist werden kann (E. 6.2.2).

Im Urteil vom 29. April 2021 (9C_426/2020) hat das Bundesgericht diese Rechtsprechung bestätigt resp. präzisiert. Gutachterlich wurde eine medizinisch-theoretische Restarbeitsfähigkeit von 50 % für kaufmännische Tätigkeiten in Heimarbeit ohne Zeit- und Leistungsdruck attestiert. Der Versicherten war es jedoch nicht möglich und zumutbar, auch nur sporadisch den Betrieb ihres Arbeitgebers aufzusuchen. Seitens der Invalidenversicherung und der Vorinstanz wurde argumentiert, letzteres sei für die Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit nicht notwendig, da sich die Versicherte im näheren Radius der Wohnung bewegen könne und Arbeitsunterlagen per Post oder Kurier übermittelt werden könnten. Dem hat das Bundesgericht eine Absage erteilt und entschieden, dass u.a. wegen der Unmöglichkeit auch nur sporadisch den Betrieb des Arbeitgebers aufzusuchen, nicht von der Verwertbarkeit einer ausschliesslichen Homeoffice-Tätigkeit ausgegangen werden kann.

Massgeblich für die Frage der Verwertbarkeit der Homeoffice-Tätigkeit ist somit im Kern die Frage, ob – wenn auch unregelmässig – der Betrieb des Arbeitgebers aufgesucht werden kann. Mit Spannung sind weitere Präzisierungen dieser Rechtsprechung zu erwarten.

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