Lohndumping durch das Bundesgericht? Strenge Schadenminderungspflicht in der Arbeitslosenversicherung.
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Das Bundesgericht hatte den Fall eines arbeitslosen Gärtners zu beurteilen, der sich für eine Stelle beworben hatte. Er konnte einige Probetage absolvieren. Anlässlich dieser Probetage hatte der Arbeitgeber offenbar „deutlich zu verstehen gegeben“, dass er „nicht gewillt war“, einen Lohn von mehr als Fr. 5‘300.00 pro Monat zu bezahlen. Der Gärtner, der früher einen Lohn von Fr. 6‘000.00 verdiente, forderte im Rahmen von Lohnverhandlungen einen Monatslohn von Fr. 5‘700.00 und bedingte sich eine Bedenkzeit aus. Das Arbeitsverhältnis kam dann – offenbar wegen den Lohnforderungen – nicht zustande. Die Arbeitslosenversicherung sah im Verhalten des Versicherten eine schwere Pflichtverletzung und verfügte 36 Einstelltage. Das kantonale Gericht reduzierte diese auf 18 Einstelltage. Damit war die Arbeitslosenversicherung nicht einverstanden und führte Beschwerde ans Bundesgericht.
Das Bundesgericht ist von einem schweren Verschulden des Versicherten ausgegangen und hat die Beschwerde der Arbeitslosenversicherung gutgeheissen. Es bestätigte die ursprünglich verfügten 36 Einstelltage. Das ist aus den folgenden Überlegungen stossend:
- Einem Versicherten wird damit eine Lohneinbusse von 11 % zugemutet, was sich vor dem Hintergrund, dass Anstellungsverhältnisse in der Regel lange Zeit dauern, zu mehreren Fr. 10‘000.00 summieren kann.
- Der tiefere Lohn führt zu einer deutlichen Verschlechterung des Versicherungsschutzes für eine spätere Arbeitslosigkeit, aber auch in den anderen Sozialversicherungen, da der neue Lohn später bei der Berechnung von verschiedenen Sozialversicherungsleistungen, (bspw. bei einer erneuten Arbeitslosigkeit) als versicherter Verdienst gilt.
- Es besteht die nicht unerhebliche Gefahr, dass sich diese Praxis unter den Arbeitgebern rasch herumspricht und so Lohndumping unterstützt.
Natürlich ist es richtig, dass von Arbeitslosen ernsthafte Bemühungen verlangt werden, um eine neue Stelle zu finden, doch ist die Lohneinbusse mit 11 % deutlich zu hoch. Es würde sich hier aufdrängen, die sonst im Sozialversicherungsrecht geltende Erheblichkeitsgrenze von maximal 5 % anzuwenden.
Entscheid BGer 8C_24/2021 vom 10. Juni 2021
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